Unsere Antworten auf Argumente der Verarbeiter
Die Argumente und Vorschläge der Molkereien und unsere Antworten darauf:
Instrumente von gestern ungeeignet für die Herausforderungen von morgen
Die Argumente und Vorschläge der Molkereien und unsere Antworten darauf:
Instrumente von gestern ungeeignet für die Herausforderungen von morgen
Ja, die Forderung hat auch einen plakativen Hintergrund. Nur wenn klar benannt wird, wie exorbitant hoch die Unterdeckung der Milcherzeugungskosten ist, wird deutlich, wie extrem angespannt die Situation auf den Höfen ist. Nur so wird deutlich, dass es hier nicht um eine Wohlstandsfrage, sondern um die Existenzfrage geht – und damit wirklich dringender, akuter Handlungsbedarf besteht. In einem Preisfindungssystem upside-down, in dem nicht von unten nach oben, sondern von oben nach unten kalkuliert wird, bleibt den Erzeugern nichts anderes übrig, als Forderungen zu stellen. Ihre gestiegenen Kosten einfach an ihre Verarbeiter weiterberechnen, können sie de facto ja nicht. Wenn wir als Erzeuger von Milch, Fleisch etc. nicht die Forderungen stellen, wer soll sie denn sonst stellen?
Dieses Bewusstsein sollte allerdings die Motivation auslösen, die Landwirtinnen und Landwirte in ihren wirtschaftlichen und auch politischen Forderungen sowie ihren europaweiten Bemühungen, das EU-Milcherzeugerpreisniveau deutlich anzuheben, zu unterstützen.
Allen Vorschlägen, wie dies funktionieren könnte, eine kategorische Absage zu erteilen, ist uns zu wenig. Wir erwarten, dass stattdessen daran mitgewirkt wird, dass mögliche Hindernisse beseitigt werden können und Lösungen angestrebt werden, die für alle Marktbeteiligten weitgehend zufriedenstellend funktionieren.
Ja, die Pandemie stellt unbestritten die meisten Betriebe vor Herausforderungen und entsprechende Kostensteigerungen. Diese werden von den Molkereien bei der Kalkulation und Festlegung der Milcherzeugerpreise jedoch zumindest teilweise in Anrechnung gebracht und damit an die Milchviehhalter durchgereicht – ebenso wie gestiegene Energie- und Verpackungskosten, von denen häufiger die Rede ist. Bei gleichbleibenden bzw. sinkenden Handelspreisen werden diese Kosten nicht Richtung Handel und Industrie weiterberechnet, sondern auf die Erzeuger abgewälzt.
In der Formulierung unserer Erwartungen ist klar schon ein Verweis auf einen europäischen Ansatz enthalten. Auch die Teilnahme des European Milk Board (EMB) am Milchdialog hebt die Forderung auf die europäische Ebene. Festzuhalten ist, dass in den EU-Mitgliedsländern in vielen Fällen Milchprodukte deutscher Molkereien die dort heimischen Produkte preislich unterbieten.
Ein klarer Hinweis findet sich auch bereits im Forderungspapier: „Wir berücksichtigen, dass es mehr als nur eine Forderung an unsere Verarbeiter braucht, um längerfristig gewinnbringende Preise über den Markt zu erreichen: Es braucht Rahmenbedingungen von der Politik und Initiative von allen Beteiligten der Wertschöpfungskette – vom Handel bis zu den Landwirten selbst.“
Die Lage auf den Weltmärkten wird maßgeblich vom EU-Milchangebot beeinflusst. Mit Ausnahme von Einlagerungen lehnt es die Molkereiindustrie aber ab, auf Nachfrageveränderungen entsprechend zu reagieren. Die Nachfrageerwartungen der deutschen Molkereiindustrie waren – insbesondere was den chinesischen Markt angeht – offenbar auch deutlich überzogen, wenn man Prognosen und Realität vergleicht. Richtig ist, dass Handelskriege und Nationalismen die Märkte zunehmend belasten. Umso dringender braucht es Instrumente, um auf solche häufig unvermittelt auftretenden, nicht beeinflussbaren Handelshemmnisse reagieren zu können.
Die Forderung nach deutlich höheren Preisen für Milch, Fleisch etc. beinhaltet nicht im Geringsten eine Forderung nach einer Abstimmung der Verarbeiter in ihrer Preispolitik gegenüber dem Handel.
Ebenso wenig ist gefordert, dass alle um den gleichen Betrag x ihre Preise anheben.
Die Aussage „Handel und Verbraucher greifen zum billigsten Angebot, zahlen aber alle mehr, wenn das Preisniveau flächendeckend angehoben wird“ mag verkürzt sein, berücksichtigt aber schlicht, dass in einem Käufermarkt (Angebot > Nachfrage) für den Käufer (egal ob der Käufer der Verbraucher, der Handel, der Weiterverarbeiter etc. ist) bei ansonsten weitgehend gleicher Beschaffenheit und Qualität des Produkts der Preis das entscheidende Einkaufskriterium ist. Dieses marktwirtschaftliche Prinzip gilt unabhängig vom Preisniveau. Auch auf einem insgesamt höheren Preisniveau werden Handel und Verbraucher weiterhin dem billigsten Angebot den Zuschlag geben, nur eben auf einem Niveau, das bessere Erzeugerpreise zulässt.
Sollten mengenbeschränkende Maßnahmen zur Anpassung von Angebot und Nachfrage nötig werden, sind diese so zu anzulegen, dass dadurch möglichst keine wettbewerbsverzerrenden Wirkungen, in Form von Wettbewerbsvor- oder -nachteilen für einzelne Länder oder Betriebe entstehen. Dies ist dann der Fall, wenn solche Maßnahmen innerhalb des Wirtschaftsraums der EU prozentual an den Kühen, die die Milch produzieren und nicht nach Betriebsgrößen oder Ländern ausgerichtet werden. Verschiedene Strategien, um die Angebotsmenge in den Griff zu bekommen, liegen mit dem BDM-Milchmarktkrisenmanagement-Konzept, mit Art. 148 Gemeinsame Marktordnung, mit Mehrpreismodellen etc. auf dem Tisch. Während von politischer Seite (siehe Beschlusslage EU-Parlament) derartige Mechanismen längst mehr und mehr politische Mehrheiten finden, arbeitet die Molkereiindustrie mit vehementer Lobbyarbeit noch immer dagegen.
Kein/e Verband/Organisation des Milchdialogs fordert eine staatliche Mengensteuerung. Die Molkereiindustrie benutzt diese Argumentation bewusst zur Diskreditierung der Forderungen nach höheren Preisen in Politik und Milchviehhaltung. Der MIV, zumindest der Teil der Molkereiindustrie, die den Ton im MIV angeben, setzen auf eine möglichst hohe Auslastung ihrer Verarbeitungskapazitäten unabhängig von der Marktlage sowie im Marktkrisenfall auf eine Mengensteuerung durch Betriebsaufgaben.
Ja, diese Kostenstellen werden direkt verhandelt. Die Preisfindung richtet sich auch hier marktwirtschaftlich nach Angebot und Nachfrage. Neben externen Faktoren, die die Flächenkonkurrenz steigern, wurde die Produktionsausweitung, die in den letzten Jahren stattfand, um in einem Markt mit deutlich zu niedrigen Erzeugerpreisen bestehen zu können, von der landwirtschaftlichen Beratung, von Banken als Grundlage für Finanzierungszusagen sowie auch durch entsprechende Prognosen der Verarbeiter stark angetrieben. Eine Folgewirkung davon ist die steigende Nachfrage nach Futtermittel und damit der Preise für Land.
Die Bedeutung des Exports wird von keiner Organisation/Verband des Milchdialogs verkannt. Die für Exportförderung zuständige Abteilung im Agrarministerium wurde im Übrigen schon vor einigen Jahren personell verstärkt.
Allerdings bildet die einfache Formel „Exportförderung = langfristig guter Milchpreis“ die Realität bei weitem nicht ab. Höhere Absatzzahlen auf dem Weltmarkt führen keineswegs automatisch zu höheren Preisen.
Zu beobachten ist: Trotz stetig steigendem Exportanteil verbessert sich die Erlössituation der Erzeuger nicht. Fakt ist: Mit steigendem Exportanteil wächst auch die Bedeutung des niedrigeren Weltmarktpreises für den heimischen Markt.
Eine Eroberung der Auslandsmärkte über eine aggressive Preisstrategie der Verarbeiter führt dazu, dass deutsche Agrarprodukte in einigen EU-Mitgliedsländern wie auch in Drittländern oft billiger angeboten werden als die heimischen Produkte der Importländer. Sind die Märkte weitgehend gesättigt, kann auch durch eine weitere Exportförderung kaum eine zusätzliche globale wie auch binnenmarktgetriebene Nachfrage geschaffen werden. Trotzdem scheint der Export der einzig wirkliche Lösungsansatz der Molkereiindustrie zu sein, ungeachtet der Folgen für die Bauern hier und in den Importländern.
Unabhängig davon, wie man den Zusammenhang einer gemeinsamen Branchenkommunikation mit einer höheren Wertschöpfung beurteilt, steht fest, dass das im Rahmen der Sektorstrategie von Molkereiwirtschaft und Bauernverband initiierte Marketingvorhaben von der Umsetzung bis hin zu einer möglichen Wirkung in Form der Steigerung der Nachfrage nach Milchprodukten noch eine sehr lange Vorlaufzeit benötigt. Ob mit einer steigenden Nachfrage auch höhere Erzeugerpreise einhergehen, steht noch auf einem ganz anderen Blatt. Mehr als fraglich ist die Wirkung einer gemeinsamen Branchenorganisation auch vor dem Hintergrund, dass immer mehr Molkereiunternehmen auch in die Herstellung und den Vertrieb von renditestarken Milchersatzgetränken einsteigen bzw. diese ausbauen. Die Positionierung für die Milch wird weniger deutlich ausfallen, um die Cash Cow pflanzlicher Milch-Alternativen nicht zu schlachten. Die Kosten für die Marketingmaßnahmen der Branchenkommunikation tragen die Milchviehhalter. Eine authentische, glaubwürdige und wirkungsstarke Kommunikation für die Milch und ihren Produktionsprozess erfordert eine starke öffentliche Kommunikation der Bäuerinnen und Bauern. Auch dafür brauchen sie Geld auf den Betrieben.
Produktdifferenzierungen über so genannte Mehrwertprogramme sind ein adäquates Mittel der Verarbeiter, um sich vom Wettbewerber abzuheben und sich damit renditestärkere Absatzkanäle und Wettbewerbsvorteile gegenüber den Mitbewerbern zu verschaffen. All die dafür nötigen Mehrleistungen der landwirtschaftlichen Betriebe werden allerdings nicht in Höhe der dafür tatsächlich anfallenden Mehrkosten entlohnt – wenn überhaupt. Häufig wird ein zunächst gewährter Zuschlag innerhalb kürzester Zeit zum Standard und zum Abschlag für diejenigen, die sich daran nicht beteiligen (können).
Nicht immer ist die Teilnahme an derartigen Programmen, die mehr Kosten für die Betriebe bedeuten, wirklich freiwillig. Ein Beispiel dafür ist QM-Milch mit seinen über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehenden Kriterien. Die Anzahl der K.O.-Kriterien wurde Schritt für Schritt erhöht, Teilnahmeverweigern wurde irgendwann die Einstellung der Milchabholung angedroht. Zu einer Erhöhung des Milcherzeugerpreisniveaus führt QM-Milch nicht.